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"SICHER IST SICHER"

Aktualisiert: 24. Juni

Als ich ein kleines Kind war , sah ich Onkel Wolf selten. Ich betrachtete ihn aber immer interessiert, da von ihm erzählt wurde, "kleine Kinder wollte er in den Abort werfen!" Er war groß und stattlich, hatte einen Bart wie mein Papa und trug Brillen. Er hatte immer ein braunes Samtsakko an und ein großer, schwarzer Schlips verlieh ihm ein künstlerisches Aussehen. Er beachtete mich kaum, worüber ich sehr froh war. "Sicher ist sicher", dachte ich.


Valerie und Christine

Das änderte sich ab meinem 12. Lebensjahr. Unsere Eltern sahen sich wieder öfter, und meine Mama wurde plötzlich Gegenstand seiner Bewunderung. Er hatte sie schon als Mädchen gekannt und verehrt, als er noch mit seiner ersten Frau Laura verheiratet war. Nach Lauras Tod heiratete er die schöne, kluge Valerie, deren erster Mann, Dr. Karl Heidt, auch früh gestorben war und die ihm zwei Stiefkinder, Vally und Karl, in die Ehe mitbrachte. Meine Mamma hatte inzwischen geheiratet und sie und Onkel Wolf sahen sich nur selten.

Aber nun war das Eis plötzlich gebrochen und unsere Eltern waren sich wieder nähergetreten.

Eines Tage erhielt Mama von Onkel Wolf ein wunderschönes Liebesgedicht! Da ich als heranwachsendes Mädchen(man bedenke: 12 Jahre!) ihre Vertraute war, las sie mir das Gedicht gleich vor und wir besunderten es beide! Mama verfaßte sofort ein Antwortgedicht, das ich bis heute weiß:


"Ich dachte erst, ich sei ein junges Mädchen und blickte träumend vor mich hin,

und manch längst vergeß`ne Weise zog neu erwachend leis ` mir durch den Sinn.

Ein Seufzer, aus der Seele kommend, stieg zu der kalten Welt empor:

Ich hatte meine Jugend wieder, von der ich wähnte, daß ich sie verlor!"


Man muss Bedenken: Beginn des 20. Jahrhundert! Nun begann für mich eine schöne Zeit. Onkel Wolf widmete nun meiner Mama viele Stunden. Hatte er sie doch zu seiner Muse erkoren! Zum Glück waren seine Frau, meine heiß geliebte Tante Valerie und mein Vater darüber froh. Tante Valerie sagte:

"Ein Dichter braucht eine Muse und wenn er Zeit Christine widmet, ist er weniger lästig!"

Man sieht, er muß ein schwieriger Mann gewesen sein! Mein Vater hatte viel Arbeit, wenig Zeit für Mama und gönnte ihr die schöne Abwechslung! Ihrer Liebe war er ja sicher! Und die Abwechslung bot sich nun: Viele Kaffeehaus-Besuche und als Magistratsrat hatte Onkel Wolf die Möglichkeit, Theaterkarten zu erhalten und zwar mit Ausnahme von Burg und Oper für alle Theater. (Ich glaube es hatte irgendetwas mit Feuerschutz zu tun.)



Nicht nur, daß er meine Eltern einmal in der Woche in eine Loge einladen konnte, er hatte auch für mich dauernd Theaterkarten. So sah ich, meist in Begleitung meiner lieben großmutter, fast alle klassischen Stücke, aber auch Volksstücke und Operetten! Seine Stieftochter Vally beneidete mich glühend, weil ich auch operetten sehen durfte, was ihr aus erzieherischen Gründen nicht erlaubt wurde. Unbegreiflich! Wahrscheinlich dachte sie: "Bei der Hilde ist sowieso Hopfen und Malz verloren!" Aber natürlich gab es auch logen für seine Kinder und mich, natürlich in klassische Stücke! Ich erinnere mich an eine Unstimmigkeit, die es einmal zwischen Mama und Onkel Wolf gab. Er wollte mit Mama und mir Samstag Nachmittag die "Räuber " besuchen, aber Mama wollte plötzlich Schluß machen und zerriß die Karten. Da erschien sofort meine liebe, gute Tante Valerie bei uns und beschwor Mama, doch alles beim alten zu lassen!

Mama klebte die Karten zusammen, schickte sie Onkel Wolf und schrieb dazu:

" Und reicht das Schicksal die Hände Dir, dann sitzt du morgen neben mir!"

Gott sei Dank! Alles war wieder in Ordnung! Mir waren die "Räuber" natürlich das Wichtigste.


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