Mein Erinnerungsbericht geht nun traurig zu Ende . Im Jahr 1924 starb meine liebe, gute Tante Valerie an Magenkrebs und zwei Jahre später Onkel Wolf an einer eitrigen Angina. Er erhielt am Zentralfriedhof ein Ehrengrab von der Gemeinde Wien. Ein Kranz dunkelroter Rosen war der letzte Liebesgruß von Mama und mir, aber in meinem Herzen lebt er weiter.
DIE LIESL
ist das jüngste der fünf Kinder von Tante Valerie und Onkel Wolf Madjera. Ihre Geschwister sind jetzt alle tot. Ichh kannte sie schon als fröhliches Kind. Im gleichen Alter mit meinem Bruder nahm sie Teil an allen unserer glücklichen Sommererlebnissen im schönen Kamptal.
Liesl, Wolf, Gottfried, Vally, Johannes, leider unbekannt, Karl, Karla und vorne Valerie
Als sie nach dem Tod Ihrer lieben Eltern zu ihrem Bruder Karl nach holländisch Indien übersiedelte, verlor ich sie aus den Augen.
und kenne ihre damaligen, so schicksalsreichen Erlebnisse nur aus Briefen und Erzählungen: die Heirat mit einem holländischen Zahnarzt, der Verlust eines kleinen Sohnes, die Geburt einer Tochter, viel Erfolg als Sportlerin im Golf-Spiel. - Aber auch schreckliche Erlebnisse während der Kriegszeit blieben ihr nicht erspart.
Trennung von ihrem Mann, Gefangenschaft bei den Japanern, Lagerleben in Bandung und Batavia. Schließlich - glückliche Heimkehr nach Holland, wo ihr Mann wieder eine Praxis eröffnen und sie beide mit ihrer Tochter Valerietje ein glückliches Leben führen konnten. Bei einigen Besuchen in ihrer geliebten Heimat Österreich bekam ich sie mit Mann und Tochter wieder zu Gesicht. Es war für mich jedesmal ein schönes Erlebnis.
In näheren Kontakt kamen wir aber erst wieder, als sie nach dem Tod ihres lieben Mannes ihren Neffen Friedl in Kitzbühel besuchte, und wir, da ich in Mittersill weilte, ein Wiedersehen vereinbarten. Wir trafen uns in Kitzbühel und verbrachten dort einen schönen Tag. Wir fuhren mit der Seilbahn auf den Hahnenkamm und freuten uns gemeinsam über die schöne Aussicht.
Wir hatten uns natürlich viel zu erzählen. Das war im August 1982. Im Mai 1983 lud ich sie ein, uns noch in Mittersill zu besuchen." In Mittersill brauchst Du aber ein Auto", schrieb ich, "es ist am besten, wenn Du nach München zu meinem Bruder Reinhold fährst und er soll Dich dann mit seinem Auto nach Mittersill bringen." Und so geschah es. Liesl fuhr nach München zu Reinhold und eines Tages stand sie vor der Tür seines Gartens. Sie hatte ihn ja seit ihrer gemeinsamen Kindheit nicht mehr gesehen. Aber sie verstanden sich gleich und die trennenden Jahre waren vergessen. In Erinnerung an alte Zeiten konnte sie sich nicht entschließen, ihn Reinhold zu nennen. Sie gab ihm sofort seinen Kindernamen "Holdi"zurück und dabei blieb sie bis heute, trotz seines Protestes!
Beide kamen nun nach Mittersill und wir verlebten schöne Tage. Reinholds Frau Agnes kam erst nach ein paar Tagen nach. Liesl wohnte im Gasthof Bräurupp. Sie besuchte uns oft in unserem Haus am Marktplatz. Mit Traudi und Thomas fuhren wir einmal nach Zell am See. Bei einer Seerundfahrt konnten wir so recht den Blick auf die Gletscher der Glocknergruppe genießen. Ein anderes Mal fuhren wir zu Hintersee im Felbertal oder in den Hochwald hinter Schloß Mittersill. Die Abende verbrachte Liesl bei uns und es war "Holdis" liebste Aufgabe, sie in dunkler Nacht heimzubegleiten. Als Reinhold seine Frau in Kitzbühel abholte, erwarteten Liesl und ich die beiden auf dem Paß Thurn. Die Zeit wurde uns dabei nicht lang, wir hatten ja so viele Erinnerungen auszutauschen.
Während ihres ganzen Aufenthaltes in Mittersill machte Liesl schöne Photos. Am meisten aber beeindruckte meinen Bruder und mich jedoch die Menge des Gepäckes, das Liesl mit sich schleppte! Einer ihrer zahlreichen Koffer war so schwer, daß Reinhold ihn kaum heben konnte! Was hatte sie doch alles mit! hauptsächlich Geschenke für ihre Lieben in Wien, die sie anschließend besuchen wollte. Zum Beispiel eine große Kugel Edamer Käse für ihren Bruder Heini, als ob es in Wien keinen holländischen Edamer Käse geben würde!
Und für ihre Nichte Valerie einige indonesische Gewürze, deren namen ich vergessen habe. Andere beschenken ist überhaupt ihr liebstes Hobby! Als es Abschied nehmen hieß, und sie inmitten der Fülle ihres Gepäcks den kleinen Pinzgauerzug bestieg, blickten wir ihr zweifeld nach. "Wie wird sie das alles glücklich nach Wien bringen?"
Aber sie meisterte es.
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